A review by finnuca
Der Proceß by Franz Kafka

5.0

Kafka erwartet von seiner Leserschaft zwar sicherlich Fragen wie Warum? oder Wodurch?, wenn Letztere die Texte von Erstgenanntem lesen, doch er gibt ihr auf diese Fragen nie eine Antwort. So muss die Leserschaft beispielsweise einfach hinnehmen, dass Gregor Samsa über Nacht zu "Ungeziefer" geworden ist.
Genauso ist es mit dem Prozess des Franz K.. Ähnlich wie Samsa erwacht es morgens, nur dass bei ihm keine körperliche, sondern eine soziale Verwandlung stattgefunden hat: Er wird verhaftet und hat es auf den folgenden 270 Seiten mit einem Prozess zu tun, dessen Beweggründe K. und auch die Leserschaft nie erfahren werden.
Ganz im Gegenteil füllt Kafka die Seiten mit immer mehr Mysterien, sei es durch eine komplizierte und undurchsichtige Bürokratie, skurrile Dachbodenkanzleien oder einen beängstigenden Dom, den K. bei dunklem Licht einsam durchschreitet.
Kafka schreibt nüchtern und sachlich, während das Beschriebene doch überhaupt nicht sachlich, sondern viel eher komisch und rätselhaft erscheint. Denkt K. zu Beginn noch, dem Prozess entkommen zu können, nimmt er doch schnell sein ganzes Leben ein und die Konsequenzen des Prozesses klingen, in Kafkas mysteriöse Worte verpackt, umso dramatischer: "Willst Du denn den Proceß verlieren? Weißt Du was das bedeutet? Das bedeutet, daß Du einfach gestrichen wirst."