A review by kathrinpassig
Agatha Christie: An Autobiography by Agatha Christie

4.0

Ich muss wohl mal Krimis von Agatha Christie gelesen haben, als Kind vermutlich, erinnere mich aber an keinen davon. An dieser Autobiografie war vieles interessant, ähnlich wie bei Vicki Baum die Tatsache, dass da jemand, der meine Urgroßmutter sein könnte (Jahrgang 1890!), ein ganz nachvollziehbares Leben beschreibt. Wenn Fotos dabei wären, würde sich unvermeidlich größere Distanz einstellen, aber in Textform ist so ein viktorianisches Leben gar nicht so sonderbar, es klingt eigentlich ganz normal. Auffällig auch hier die vollständige Privilegienblindheit, ja, Privilegienvernageltheit, noch extremer als bei Beryl Markham (und ich hätte nicht gedacht, dass das geht). Aber alles, was sie über ihre Schreibgewohnheiten und -verfahren und ihre Vorstellung von sich als Autorin sagt, ist uneitel und interessant.

Was ich inzwischen (111 Autobiografien gelesen in den letzten zehn Jahren, sagt Goodreads) über das Genre dazugelernt habe: Man darf im Alter auf keinen Fall über "die Jugend von heute", "die Gesellschaft von heute", "die Mütter von heute" oder "die Ärzte von heute" schreiben. Die klügsten und sympathischsten Menschen werden sofort dumm und hartherzig, wenn sie sich diesen Themen widmen. Reisebeschreibungen ("wie sehr ich Florenz geliebt habe! die Farben!") auch keine gute Idee, wobei die hier noch relativ interessant waren. Tiefpunkt meiner Christie-Sympathie waren ihre Ausführungen über die Todesstrafe. Man muss wohl beim Autobiografieren der Versuchung widerstehen, irgendwelche Meinungen zu äußern.