A review by missbookiverse
Es wird keine Helden geben by Anna Seidl

4.0

Es ist keine Frage, dass Anna Seidl mit ihren gerade mal 18 Jahren ein solides Debüt hingelegt hat. Das Alter merkt man ihrem klaren Schreibstil nicht an. Was ich wirklich erstaunlich finde, ist dass die Autorin selbst nie einen Amoklauf miterlebt hat. Kann man es sich dann wirklich herausnehmen über so ein Thema zu schreiben? Es sich erlauben sich in die Figuren hineinzuversetzen und zu beschreiben wie es ist so etwas zu durchleben? Klar, das ist das Wasser und Brot der meisten Autoren, aber bei einem so heiklen Thema kam mir die Frage öfter in den Sinn. Ich kann nicht beurteilen wie realistisch die Autorin die Erfahrungen eines Mädchen, das einen Amoklauf mit angesehen hat, schildert, aber mir kam es nie unecht oder ausgedacht vor. Einzig die direkte Ansprache des Lesers ist mir manchmal sauer aufgestoßen. Vor allem am Anfang sagt Protagonistin Miriam immer wieder “ihr könnt euch das nicht vorstellen”, was mir ein bisschen blöd vorkommt… aber Anna Seidl kann das oder wie?

Während zwischenmenschliche Szenen mit Miriams Freunden oder Eltern richtig gut funktionieren, wurden mir die zusammenfassenden Gedanken vor allem gegen Kapitelende manchmal zu allgemein. Es wird generalisiert und das klingt schnell abgelutscht und pseudo-philosophisch, gar altklug von einem 16jährigen Mädchen. Hier hätte mir mehr Platz für eigene Gedanken besser gefallen. Klar, es geht um Miriam und sie will ihre Geschichte mit ihren Erkenntnissen schildern, aber manche Schlüsse sollte der Leser selbst ziehen dürfen.

Richtig zwiespältig wird der Roman, als man erfährt wie Miriam und ihre Freunde den Amokläufer früher behandelt haben. Sie gehören nämlich zu genau der Gruppe Schülern, die ihm das Leben schwer gemacht haben. Ihm gesagt haben, dass er stinkt, sich über ihn lustig gemacht und ihn gedemütigt haben. Da schleicht sich natürlich schon die Frage in den Kopf, ob sie das nicht irgendwie verdient haben? Meine Antwort lautet eindeutig nein. Wie es in dem Buch so schön heißt:

Das Leben ist eine zerbrechliche, kurze Sache. Jeder lebt nur ein einziges Mal. Jeder ist etwas Besonderes. Und deshalb zerstört man nicht einen Menschen, sondern eine ganze Welt. Deshalb hat niemand das Recht, eine Waffe auf dich u richten. Niemals.
(S. 251)


Das ist auch meine Meinung, obwohl ich gleichzeitig finde, dass Miriam sich früher scheiße verhalten hat und durchaus irgendwie dafür bestraft werden sollte, allerdings nicht mit Gewalt, niemals mit Gewalt.