Reviews

Mord an Bord: Roman by Hera Lind

letopotato's review

Go to review page

lighthearted slow-paced
  • Plot- or character-driven? Plot
  • Strong character development? It's complicated
  • Loveable characters? No
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? It's complicated

0.75

 Okay. okay.
 
 Ich habe dieses Buch jetzt durch, bzw. als Hörbuch durchgehört, und ich muss leider sagen, dass "Mord an Bord" nicht nicht amüsierend war - zumindest zeitweise. Ich habe sogar ein oder zwei Mal laut gelacht, ja, ich gebe es zu. Das ist allerdings bei mir keine Meisterleistung, gerade, wenn das Buch über 450 Seiten hat. Während des Lesens & Hörens kamen in mir jedoch einige Fragen auf, unter anderem:
 
 WER ZUR HÖLLE LIEST DENN SO EINEN SCHMARRN?!

Nein, ernshaft! Selbst wenn man den normalisierten Alltagsrassismus und -sexismus, sowie die beiseite geschobene sexuelle Belästigung außer Acht lässt, merkt man, dass dieser Roman ursprünglich um 2000 rum veröffentlicht wurde. Da hätte er auch gut und gerne bleiben können. Im Jahre 2024 - wer liest so etwas? Wer?? Wer ist die Zielgruppe für diesen Roman? Menschen mit ansatzweise literarischem Geschmack und/oder einem Gehirn sind es definitv nicht.
Ja, es wird schon als  leichter "Einfach-Mal-Weglesen"-Roman mit ein wenig Romanze und Witz vermarktet, doch ich würde sehr gerne den Typ Mensch kennenlernen, der dieses Buch gelesen hat und sagt: "DAS war doch ein tolles Buch!" Nein, stopp. Streicht das. So jemanden möchte ich eigentlich nicht kennen.

"Och komm, Leto. So schlimm kann es doch gar nicht gewesen sein," würden jetzt meine Freundis sagen. "War doch bestimmt nur ein netter Hera Lind-Roman. Du rantest bestimmt hier nur rum, weil du keine Romanzen magst." Dass ich keine Romanzen mag stimmt. Das tut hier leider absolut nichts zur Sache, weil diese Story keine Romanze war. Das hier waren 450 Seiten intellektuelle Folter. Achtung, hier kommen SPOILER. Aber ehrlich, wenn ihr dieses Buch freiwillig lest: selbst schuld, lol.

Die ersten 5/8 des Buches rennt unsere betont sexy, "intelligente", musikalisch begabte Mary Sue Hauptperson Burkharda Meier, später liebevoll Burrgl genannt, einem lügenden, unfreundlichen, vulgären, herumvögelnden Machoarsch von Kreuzfahrdirektor namens Fred Hahn hinterher.
 (Die haben alle sehr interessante Namen. Da war Frau Lind konsequent, das muss ich ihr lassen.)
 Ihr ist von Anfang an bewusst, dass er ein Vollarsch ist, aber er sieht doch so gut aus. Und sie, einzig allein sie, ist doch die "singende blonde Fee aus Geilenkirchen [...], die seinen harten Kern knacken und
seine weiche Seele zum Vorschein bringen würde.
" (Zitat, S. 90) Während ihres Aufenthalts auf dem Luxusdampfers wird sie natürlich von allen Männern angebaggert, lüstern beäugt und angegrabscht, und ich kann die Anzahl der relevanten Nebenpersonen, die sich tatsächlich normal verhalten an einer Hand abzählen.

Nachdem ich ca. 220 Seiten von präpubertierendem Liebesgesülz und pfauenähnlichem Imponiergehabe durch hatte und weder irgendetwas relevantes geschehen, noch jemand gestorben war - das Buch heißt ja schließlich "Mord an Bord" - ging es dann aber richtig zur Sache: Nachdem Burkharda mit einem schweizer Banker, dessen Sprechtext zu 90% aus dem Satz "du, Wahnsinn, du" (STRG+F liefert 34 Ergebnisse) bestand, auf dem "Ficknessdeck" (Zitat) gevögelt hatte (weil Fred sie, surprise surprise, mal wieder verarscht hatte), eröffnet ihr einige Tage später der Hoteldirektor Hartwin Danz, dass jemand die beiden dabei gesehen hätte und ein Erpresserbrief, später dann auch ein Foto und sogar ein Video, aufgetaucht wäre. Whabäm.

Burkharda will nun natürlich herausfinden, wer das war und irgendwie an das Video/Foto kommen. (Das Internet war damals ein Glück wirklich noch Neuland. Hier wurde noch gefaxt.) Nicht aber, um ihren eignene Ruf zu retten, nein nein. Ihre einzige Sorge ist, dass ihr liebster Fred das Material sieht, und sie dann nicht mehr haben will! Was ist also die einzig rationale, sinnvolle, absolut gerechtfertigte Reaktion? 

Sie bringt ausnahmlos alle um, die auch nur die Worte “Brief”, “Video” oder “Foto” in den Mund nehmen und kommt immer damit davon, weil es als Unfall oder Selbstmord abgetan wird. Das ist kein Witz und keine Übertreibung. Spätestens nach dem dritten Mord ist das Konzept überholt, da Frau Meier jedes Mal direkt nachdem sie die Tat vollbracht hat plötzlich feststellt, dass derjenige es ja faktisch gar nicht gewesen sein kann! Oh, upsi. Naja. Aber nicht vergessen: Sie hat ja "was in der Birne!!" im Gegensatz zu den anderen Tussis, denn sie ist ja eine "Dame", eine "Frau von Welt"! (jap, alles Zitate)

Sieben Leichen und deutlich zu viele Seiten später ist sie dann soweit, dass ihr Fred wohl das Video gemacht haben muss, und ich hatte den kleinen Funken Hoffnung, er würde jetzt sterben. Aber noch nicht einmal das konnte man mir geben.  Dieses Mal bekommt Burkharda natürlich vorher heraus, dass er es nicht war, aber das ganze hat eine gute Sache: Sie liebt ihn nicht mehr. Ha-le-lu-ja.

Der restliche Teil des Buches ist mit einer besseren (was immer noch nicht gut bedeutet) Lovestory zwischen ihr und dem Hoteldirektor Hartwin Danz gefüllt. Diese Beziehung ist tatsächlich halbwegs normal, weil Hartwin sich wie ein normaler Mensch verhält. Und dann tut Burkharda das, was sie schon vor sieben Leichen hätte tun sollen: Sie fragt ihn, ob er wüsste, wer es war. Er hatte ja schließlich den Brief an der Rezeption ausgehändigt bekommen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine Hoffnung mehr, dass irgendetwas aufregendes passieren würde, aber ich lag falsch. Ich hab mich so richtig aufgeregt.

Er wusste wer es war - und das war nicht der Punkt, der mich in den Wahnsinn trieb. Als vernünftiger Mensch mit Verantwortungsbewusstsein hat er halt herausgefunden, wer eine Passagierin bedroht und hat sich darum gekümmert. Voll solider Typ. Er sagt auch wer es war, der wahrlich einzige spannende Moment in diesem Roman.

War es etwa der nette Lars-Dars, der keiner Fliege etwas zu leide tun kann? Der liebe Professor Weißenreim mit seinen humoristischen Gedichten? Waren es die beiden Matrosen, die Burkharda aus Versehen beim Sex gestört hatte, die sich rächen wollten oder irgendeine andere Nebenfigur, die man als Leser unmöglich für schuldig gehalten hatte? Nein.

ES WAR IRGENDEIN BEKACKTER BARKEEPER, DER BIS ZU GENAU DIESEM ZEITPUNKT NIE NAMENTLICH ODER AUCH NUR BEILÄUFIG ERWÄHNT WURDE!

WAS ZUR HÖLLE, HERA LIND?!

An dieser Stelle habe ich fast meinen PC vom Tisch geworfen. Auch ich bin kein Krimiautor, aber Regel Nummer Eins einer Spannungshandlung zu brechen und einen Un-Charakter zum Täter zu machen, ist einfach nur frustrierend und enttäuschend. Ich habe hier kein Aufrollen des Tathergangs à la Hercule Poirot erwartet, in der die im gesamten Text dezent verstreuten Hinweise auf gekonnte Art und Weise zusammengeführt werden. Aber ist es denn zu viel verlangt, einen bekannten Charakter mit zumindest einem rudimentären Motiv und ansatzweise glaubwürdigen Hinweisen als wahren Täter zu präsentieren?

Abgesehen davon hängt das Buch exakt von einer Tatsache ab: fehlender Kommunikation. Wenn deine gesamte Story durch exakt ein vernünftiges Gespräch gelöst werden kann, ist es keine gute Story.

"Wissen Sie, wer den Brief hier abgegeben hat?"
"Nein, aber ich werde alles tun, um es herauszufinden." ---
"Ich weiß jetzt, wer den Brief geschrieben und das Video aufgenommen hat."
"Gut. Dann gehen wir jetzt zur Polizei."

Zack. Klappe zu, Affe tot, Buch um 300 Seiten gekürzt. Leider ist Miss Einunddreißigjährige-Frau-von-Welt mit dem Gehirn eines zwölfjährigen verknallten Mädchens ausgestattet und scheint ihre einzelne Gehirnzelle in Geilenkirchen liegen gelassen zu haben. Was habe ich eigentlich erwartet?

Auf den letzten 50 Seiten bringt sie dann noch drei Leute um (irrelevant) und hat am Ende ein Happy End mit ihrem Hartwin. Sogar Anflüge von Charakterentwicklung sind da! Burkharda sieht jetzt zumindest ein, dass sie die ersten 500 Seiten einfach nur dumm war. Aber jetzt ist sie ja erwachsen geworden (mhm. klar.)

Aber das hätte man auch gut und gerne kürzen können, genau so wie die zig wortgetreuen Wiederholungen von Sätzen. Wenn ich noch einmal etwas über die "Flecken, die kommen, besonders der eine auf der Stirn, der aussieht wie Afrika." oder "Du, Wahnsinn, du!" hören bzw. lesen muss... Teilweise habe ich mich gefühlt, als würde ich ein Buch für demente Menschen lesen. Danke, ich weiß wer "Klara-Viktoria, die dicke Diseuse mit der angeklebten Locke über dem linken Auge" (S. 16, 34, 56, 97) ist, du hast sie mir vor exakt zwei Seiten vorgestellt.

Mein einziges persönliches Highlight war Professor Weißenreim, der über 6000 humoristische Gedichte von Kästner, Tucholsky & Co. auswendig vortragen kann und zu jeder Situation sofort ein passendes findet. Lebensziel, to be honest.

TL; DR:

Dreizehn Stunden verschwendete Zeit und Nerven.

Expand filter menu Content Warnings
More...